So im Nachhinein einen Blog zu schreiben ist etwas Besonderes. Man darf noch einmal abtauchen in eine Zeit, fern weg vom Alltagsstress, Terminen und Verpflichtungen. Die Herausforderungen in einem fremden Land sind oft nicht einfach zu lösen, man steht vor Problemen, die man noch nie erlebt hat. Und doch bereiten sie einem sogar eine Art Freude, denn man hat Zeit und Raum sich ausgiebig mit deren Lösung zu beschäftigen.
So erging es uns in Kasachstan. Bei der Einreise waren wir doch etwas nervös – unsere erste Einreise auf dem Landweg. Würden die Zollbeamten wirklich korrupt sein und das Auto auseinander nehmen? Da wir zuvor beim Issyk Kül See unterwegs gewesen waren, im Osten des Landes, bot sich ein Übergang ebenfalls im Osten nach Kasachstan an. Auch hier braucht man kein Visum, was das Reisen sehr angenehm macht. Wir fuhren also die letzten Kilometer auf Schotterstraßen durch eine Blumenwiesen-Landschaft (Frühling!) und kamen an eine kleine, verlassene Grenzstation. Flora musste zu Fuß hinüber gehen, Josef fuhr mit dem Auto. Dabei durchsuchte auf der kasakischen Seite ein Beamter das Auto recht genau, anscheinend auf der Suche nach etwas Bestimmten. Josef wurde erst etwas nervös, bis er merkte, dass der Beamte gerne ein kleines „Geschenk“ hätte. Zigaretten hatten wir keine, aber eine Tüte Chips war in Ordnung. wir schmunzelten über die Horrorgeschichten, die wir vorher über Grenzübergänge gehört hatten. Das hier war ja fast schon süß.
Ein tolles Ausflugsziel mit atemberaubendem Ausblick erwartete uns im Sharyn Canyon. Dieser ist einer der weltgrößten Canyons und erinnert tatsächlich auch optisch an den Grand Canyon in den USA. Wir übernachteten oben und genossen morgens den Ausblick. Mit einem 4WD kommt man sogar hinunter. Wir entschieden uns lieber für den Fußweg und konnten später unten im Fluss baden.
Eine der „Was-kann-noch-alles-schief-gehen?!“ – Geschichten, die wir immer wieder gerne erzählen ist auch in Kasachstan passiert. Wir fuhren vom Hauptweg in ein 120 km langes Seitental in eine Sackgasse. Am Ende des Tals wartete ein spektakulärer, türkiser See mit aus dem Wasser ragenden, toten Baumstümpfen auf seine Entdeckung. Doch der sollte noch lange auf uns warten. Um genau zu sein bis heute. Denn zum See haben wir es nicht geschafft. Unser Auto gab nach etwa 90 km den Geist auf und ließ uns mitten in der Einöde im Stich. Freundlicherweise waren wir genau neben einem (wirklich unglaublich kleinen) Kaff stehengeblieben, denn außer dem Kaff gab es tatsächlich nichts, außer Blumenwiesen. Wie in jedem kleinen Kaff in Zentralasien gab es jedoch auch hier eine „Werkstätte“.
Es stellte sich heraus, dass die Lichtmaschine kaputt war, was den Mechaniker dazu veranlasste uns eine Lichtmaschine aus dem 4,5 Stunden entfernten Almaty bringen zu lassen, sie auszutauschen und uns dann richtig asslig abzuzocken und das dreifache des vorher vereinbarten Preises zu verlangen. Wir einigten uns auf den zuvor vereinbarten Preis mit einem bisschen Zuschlag, um dann etwa 28 Kilometer später festzustellen, dass der Typ uns eine andere kaputte Lichtmaschine eingebaut und dafür einfach die Batterie aufgeladen hatte. Wer rechnen kann, wird feststellen, dass das genau 2 km vom tollen See entfernt war. Wir waren zuerst in einem Schlammloch stecken geblieben und schließlich auf einer Schotterstraße mit 40% Steigung, wo sich dann zu allem Überfluss noch plötzlich unser Ersatzrad aus der Halterung löste und sich der Halterungs-Käfig zwischen Schotter und Auto keilte. Es gab kein Vor (- Batterie zu leer, Motor zu schwach) und kein Zurück (Stahlkäfig im Boden verkeilt). Da die Handbremse auch nicht funktionierte saßen wir erst einmal im Auto, mit dem Fuß auf dem Bremspedal und schwitzten. Und dachten nach.
Wir hatten Glück. Tatsächlich kam nach ein paar Minuten (die sich auf der Relativitäts-Skala der Zeit in etwa anfühlten, wie ein paar Minuten auf dem Zahnarztstuhl) ein Jeep mit einem Touristen Guide. Er schaffte es, uns ein paar Meter nach oben zu ziehen (Abschleppseil), sodass wir zumindest das Ersatzrad lösen und den Käfig wieder befestigen konnten. Motiviert vom Erfolg liefen wir zu Fuß los, um zumindest noch den See anzuschauen, der ja, wie gesagt, nur 2 km entfernt lag. Ein zweiter Jeep, den wir anhielten, um uns zu informieren, bestätigte uns, dass sie das letzte Auto waren, das noch in der Gegend war. Da verließ uns dann doch der Mut, denn wir hatten nicht genug Proviant dabei, um notfalls ein paar Tage hier abzuhängen. Wir ließen uns von ihnen zurück zum Kaff abschleppen.
Dort luden wir in einer Western-Film-mäßigen Tankstelle unsere Batterie auf uns fuhren am nächsten Morgen zurück zur Hauptstraße, um dann in der nächsten Ortschaft wieder liegenzubleiben. Falls es eine höhere Macht gibt, ließ diese uns in dem Moment Eliza und David kennenlernen, einem australischen Entwicklungs-Helfer-Paar, das mit seinen drei Kindern in dem Städtchen wohnte. Sie versorgten uns wunderbar und wir durften übernachten, während wir die Batterie ein zweites Mal aufluden.
Die restlichen 120 km bis Almaty fuhren wir dann stark angespannt. Wir trauten uns nicht, das Licht anzumachen, denn das würde die Batterie aussaugen. Doch in Kasachstan herrscht Licht-Pficht, also hielt Flora Ausschau nach Polizisten während Josef am Steuer saß, um jedes Mal schnell das Licht einzuschalten. Natürlich erwischte uns dann doch noch eine Streife, die uns gerade entgegen kam. Sie Blinkten uns an und riefen mit dem Megafon irgendetwas russisches. Doch Josef gab Gas! Er überholte einen LKW, der sofort anhielt und dann noch ein zweites Auto. Die Polizei ließ uns fahren. Wir schwitzten aus allen Poren! Die Hände waren klatschnass. Als wir uns halbwegs beruhigt hatten, winkte uns schon ein anderer Polizist, den wir zu spät bemerkt hatten. Wir winkten zurück und tauchten im Stadtverkehr von Almaty unter. Der Puls stieg dabei wieder gut an, doch wir schafften es tatsächlich bis zur Werkstätte, wo unsere Freunde Ananda und Marco schon auf uns warteten – sie ließen dort gerade ihren Unimog reparieren. Von dort an war dieses ungewollte Abenteuer vorbei, denn Josef durfte die Lichtmaschine alleine reparieren, und die Kollegen der Werkstatt standen ihm mit Rat und Tat zur Seite, während er das ganze Werkzeug benutzen durfte. Am Ende wollten sie nicht einmal Geld dafür und das Auto funktionierte besser denn je.
In Kasachstan waren wir insgesamt leider gar nicht so lange. Dafür, dass das Land so riesig ist, haben wir nur einen kleinen Bruchteil davon im Süden gesehen. Die moderne Metropole Almaty hat uns sehr überrascht, dort steht sogar mitten drin eine riesige Schisprungchance und die Menschen leben ein total modernes (und auch teures) Leben, das zur restlichen Bevölkerung im sonst recht armen Land so gar nicht zu passen scheint. Leider hatten wir erst einmal kein großes Vertrauen mehr in unser Auto, deshalb fuhren wir weiter, zurück nach Kirgistan. Später sollte sich herausstellen, dass ab diesem Zeitpunkt fast alles glatt lief. Nun aber folgte schon das nächste Abenteuer auf dem Pamir-Highway in Tajikistan…